§ 40 Fälle der Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten

Die Mitarbeitervertretung hat in folgenden Fällen ein Mitbestimmungsrecht:

  1. Bestellung und Abberufung von Vertrauens- und Betriebsärzten und -ärztinnen sowie Fachkräften für Arbeitssicherheit,
  2. Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und gesundheitlichen Gefahren,
  3. Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform,
  4. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie Festlegung der Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen,
  5. Aufstellung von Grundsätzen für den Urlaubsplan,
  6. Aufstellung von Sozialplänen (insbesondere bei Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen) einschließlich Plänen für Umschulung zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen und für die Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen, wobei Sozialpläne Regelungen weder einschränken noch ausschließen dürfen, die auf Rechtsvorschriften oder allgemein verbindlichen Richtlinien beruhen,
  7. Grundsätze der Arbeitsplatzgestaltung,
  8. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden,
  9. Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird,
  10. Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufs,
  11. Einführung und Anwendung von Maßnahmen oder technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu überwachen,
  12. Regelung der Ordnung in der Dienststelle (Haus- und Betriebsordnungen) und des Verhaltens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst,
  13. Planung und Durchführung von Veranstaltungen für die Mitarbeiterschaft,
  14. Grundsätze für die Gewährung von Unterstützungen oder sonstigen Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht,
  15. Zuweisung von Mietwohnungen oder Pachtland an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wenn die Dienststelle darüber verfügt, sowie allgemeine Festsetzung der Nutzungsbedingungen und die Kündigung des Nutzungsverhältnisses,
  16. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen.
Das sagen die Gerichte

KGH.EKD II-0124/L78-05
Leitsatz:
Die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bei der Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit bezieht sich nicht nur auf die Auswahl der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters oder einer / eines freiberuflich Tätigen, die /der die Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit wahrnehmen soll, oder des überbetrieblichen Dienstes, sondern erstreckt sich auch auf die Vorfrage, in welcher Form die Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit wahrgenommen werden soll, ob durch Anstellung / Betrauung einer Mitarbeiterin / eines Mitarbeiters, durch Verpflichtung einer / eines freiberuflich Tätigen oder durch Beauftragung eines überbetrieblichen Dienstes.


BAG 1 ABR 34/77
Leitsatz:
Die aus § 3 Abs. 2 ArbSchG folgende Pflicht des Arbeitgebers, für eine geeignete Organisation zu sorgen und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden, setzt einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Hierbei hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen.

KGH.EKD II-0124/N24-07
Leitsatz:
Die Gefährdungsanalyse (Gefährdungsbeurteilung) gemäß § 5 ArbSchG (Ermittlung der Gefährdungen und Beurteilung der Risiken) unterliegt der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. b MVG.EKD. Das Mitbestimmungsrecht besteht nicht nur bei der Festlegung, auf welche Weise (mit welchen Methoden) die Gefährdungsanalyse zu erstellen ist, sondern auch bei der Frage, wer mit der Erstellung dieser Analyse beauftragt wird (Auswahl einer externen Person/Firma oder von Personen aus dem Kreise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle).


Kirchliches Arbeitsgericht (Diözese Rottenburg-Stuttgart) AS 18/14
Leitsatz:
1) Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin über die Ergebnisse der Beurteilung nach § 1 MuSchV und über die zu ergreifenden Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz sobald als möglich zu unterrichten.


KAG Mainz M45/19Mz
Leitsatz:
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin die Teilnahme an den gem. §§ 3 Abs. 1 S. 2, Nr. 3a, 10 Arbeitssicherheitsgesetz stattfindenden Betriebsbegehungen bei den Beklagten zu ermöglichen und die MAV in diesem Zusammenhang über die Termine und Orte der Betriebsbegehungen rechtzeitig zu informieren und ein Mitglied der Klägerin für die Teilnahme gem. § 15 Abs. 2 MAVO freizustellen.
Anmerkung: Das KAG Mainz hat weiter festgestellt, dass das Teilnahmerecht ergänzend durch die weitergehenden Feststellungen einer rechtzeitigen Information der MAV über die Betriebsbegehungen und die entsprechende Freistellung des teilnehmenden MAV-Mitgliedes im Rahmen von § 15 Abs. 2 MAVO abzusichern ist.
Die MAVO enthält vergleichbare Regelungen zum MVG-EKD, so dass das Urteil im evangelischen Bereich entsprechend anzuwenden ist.


BAG 1 ABR 73/12
Leitsatz:
Die aus § 3 Abs. 2 ArbSchG folgende Pflicht des Arbeitgebers, für eine geeignete Organisation zu sorgen und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden, setzt einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Hierbei hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen.


BAG 1 ABR 13/03
Leitsatz:
Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen (§ 5) und über die Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12) sind Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat.


BAG 1 ABR 16/97
Leitsätze:
1) Bei der Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 V ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch Entgeltzuschlag zu gewähren ist, hat der Betriebsrat nach § 87 I Nr. 7 und Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. (Anmerkung der MAV-Blog-Redaktion: Das MVG hat eine ähnliche Formulierung wie § 87 Nr. 7 BetrVG. Nr. 10 – Betriebliche Lohngestaltung) findet sich im MVG micht wieder.)
2) Die Zahl der freien Tage und die Höhe des Zuschlags sind hingegen eine Frage der Billigkeit. Da der Arbeitgeber insoweit rechtlich gebunden ist, besteht hier kein Mitbestimmungsrecht.
3) Die Regelungsfrage entfällt nach § 6 V ArbZG, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht. Ein tariflicher Ausgleich kann auch ohne ausdrückliche Bezeichnung in Leistungen enthalten sein, die Nachtarbeitern zustehen. Dafür müssen aber besondere Anhaltspunkte bestehen. Der Bundes-Manteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr v. 14. 7. 1988 enthält keine solche Ausgleichsregelung.


LAG Berlin-Brandenburg 15 Sa 1418/17
Leitsätze:

3) Bei Vorhandensein eines Betriebsrats ist der individuelle Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung allenfalls darauf gerichtet, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat initiativ wird.

KGH.EKD I-0124/9-2020
Leitsätze:
1) Änderungen von Dienstplänen bedürfen ebenso wie die erstmalige Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit der Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
2) Dieses gilt auch für Eilfälle. Kann wegen der Kürze der Zeit eine Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht eingeholt werden, ist das Verfahren nach § 38 Abs. 5 MVG-EKD zu beachten.
3) Das Mitbestimmungsrecht besteht auch dann, wenn der betroffene Mitarbeiter oder die betroffene Mit-arbeiterin mit der Dienstplanänderung einverstanden ist oder nicht Mitarbeiterin oder Mitarbeiter im Sinne von § 2 MVG-EKD ist.


KGH.EKD I-0124/41-2015
Leitsätze:
1) Wird zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung keine Einigung über einen Dienstplan vor Beginn der Dienstplanperiode erzielt, kann die Dienststellenleitung die vorläufige Geltung eines Dienstplans nach § 38 Abs. 5 MVG-EKD nur anordnen, wenn sie gleichzeitig beim Kirchengericht eine einstweilige Verfügung des Inhalts beantragt, dass der Mitarbeitervertretung die vorläufige Duldung des Dienstplans auferlegt wird.
2) Ein solcher Antrag ist nicht erforderlich, wenn die Mitarbeitervertretung erklärt, die vorläufige Durchführung des Dienstplans zu dulden.
3) Die Festlegungen in dem zu duldenden vorläufigen Dienstplan sind auf das nach den Erfordernissen der Einrichtung absolut erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. In Einrichtungen, in denen Dritte betreut werden, ist absolut erforderlich alles, was eine Verringerung der Betreuungsqualität verhindert.
4) Das Kirchengericht hat im Verfahren um den Erlass der einstweiligen Verfügung die Erforderlichkeit der Festlegungen im Dienstplan zu prüfen und diese ggf. zu verändern.
5) Nach der kirchengerichtlichen Entscheidung über die einstweilige Verfügung darf der Dienstplan unabhängig von der Rechtskraft der Entscheidung nur noch in dem Umfang umgesetzt werden, der sich aus der Entscheidung ergibt.


KGH.EKD II-0124/R90-09
Leitsatz:
Die einzelvertraglich vereinbarte vorübergehende (befristete) Erhöhung der Stundenkontingente betrifft nicht den Mitbestimmungstatbestand „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit …“ (§ 40 Buchst. d) MVG.EKD), sondern, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, wegen der bei erheblicher Erhöhung des arbeitsvertraglichen Stundenkontingents einstellungsgleichen Wirkung, den Mitbestimmungsgegenstand „Einstellung“ (Bestätigung von VerwG.EKD, Beschluss vom 2. Februar 1998 – 0124/B22-97 – ZMV 1998, 133).


KGH.EKD I-0124/T63-11
Leitsatz:
Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit hat sich im Rahmen der zwingenden Vorgaben primär an den von der Dienststellenleitung ermittelten Bedarfen auszurichten. Die Wünsche der Mitarbeitenden müssen nur berücksichtigt werden, soweit dies möglich ist.


BAG 1 ABR 59/12
Leitsatz:
Bei dem An- und Ablegen einer auffälligen Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handelt es sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und damit um Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.


BAG 1 ABR 14/81
Leitsätze:
1) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zur Regelung von Mehrarbeit, die durch Störfälle außerhalb der normalen Arbeitszeit notwendig wird, umfasst auch die Frage, ob die Leistung solcher Mehrarbeit durch die Einrichtung von Rufbereitschaft ermöglicht werden soll.
2) Zeiten einer Rufbereitschaft sind Arbeitszeiten im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Der Betriebsrat hat daher bei der Aufstellung eines Rufbereitschaftsplanes ein Mitbestimmungsrecht.
3) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt nicht deswegen, weil einem Regelungsbedürfnis mit kollektivem Bezug durch einzelvertragliche Vereinbarungen mit einem oder mehreren Arbeitnehmern bereits Rechnung getragen worden ist.
4) Eine mitbestimmungsfreie einzelvertragliche Regelung liegt dann nicht vor, wenn mit dieser – wenn auch auf Wunsch des Arbeitnehmers – nicht individuellen Besonderheiten, sondern einem betrieblichen Regelungsbedürfnis Rechnung getragen werden soll.


BAG 1 ABR 32/06
Leitsätze:
1) …
2) Die dauerhafte Erhöhung des Umfangs der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG.
3) In der nach Dauer und Umfang nicht unerheblichen Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers liegt eine Einstellung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft um fünf Stunden ist in der Regel nicht erheblich.


LAG Hessen 16 TaBV 85/22
Leitsätze:
1) Die Beteuerung des Arbeitgebers, dass er die Betriebsvereinbarung “anerkenne und einhalte” lässt das Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats für einen Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht entfallen, § 256 Abs. 1 ZPO.
2) Der Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG setzt einen groben Verstoß gegen die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus diesem Gesetz voraus. Hierunter fallen auch grobe Verletzungen von Pflichten, die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben.
3) Auf eine Duldung von Überstunden seitens des Arbeitgebers kann nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände geschlossen werden. Einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit sprechen für sich gesehen nicht dafür, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Die positive Kenntnis des Arbeitgebers von Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer ohne Ergreifen von Gegenmaßnahmen deutet regelmäßig auf deren Duldung hin.
4) Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt: Mehrere (5) Arbeitnehmer wiesen über einen Zeitraum von sechs Monaten ein das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene (Höchst-) Maß von 40 Überstunden deutlich übersteigendes Maß an Mehrarbeit auf. Diese Situation verschlimmerte sich während des Laufs des vorliegenden Beschlussverfahrens noch. Dass ihm der Stand der Gleitzeitkonten bekannt war, bestreitet der Arbeitgeber nicht. Die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen (Schulungen der Mitarbeiter über die Inhalte der Betriebsvereinbarung) hatten nicht den gewünschten Erfolg.

BAG 1 ABR 22/21
Leitsätze:
1) Arbeitgeber sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (juris: EGRL 88/2003) eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 Buchst. b dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat.
2) Dem Betriebsrat steht kein – über einen Einigungsstellenspruch durchsetzbares – Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zu, mit dem die tägliche Arbeitszeit solcher Arbeitnehmer erfasst werden soll.

KGH.EKD II-0124/W9-14
Leitsätze:
1) Die Mitarbeitervertretung kann nach § 40 Buchst. f), § 47 MVG.EKD die Aufstellung eines Sozialplans vorschlagen, wenn Mitarbeitende im Umfang des § 17 Abs. 1 KSchG vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen sind (vgl. Kirchengerichtshof der EKD (vormals Verwaltungsgericht der EKD), Beschluss vom 11. September 1997, Az. 0124/B9-97, ZMV 1998, Seite 33; Beschluss vom 5. November 1998, Az. 0124/C16-98, ZMV 1999, Seite 42, www.kirchenrecht-ekd.de).
2) Die Dienststelle ist verpflichtet, über einen von der Mitarbeitervertretung vorgeschlagenen Sozialplan nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei muss sie die Interessen der betroffenen Mitarbeitenden an einem Ausgleich ihrer Nachteile mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Übereinstimmung zu bringen. Lehnt die Dienststelle die Aufstellung eines Sozialplans ab, kann die Mitarbeitervertretung vor dem Kirchengericht die Feststellung begehren, dass die Weigerung rechtswidrig ist. Ist dies der Fall, hat die Dienststelle erneut über die Aufstellung eines Sozialplans unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Kirchengerichts zu entscheiden.


VerwG.EKD 0124/7-95
Leitsätze:
1) Bei der Aufstellung von Sozialplänen hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 MVG.EKD. Darüber hinaus steht der MAV ein Initiativrecht zu (§ 47 Abs. 1 MVG.EKD).
2) Für Bestand und Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 40 Buchst. f MVG.EKD kommt es grundsätzlich nicht auf die Vermögenslage des Sozialplanpflichtigen, hier einer Kirchengemeinde, an.
3) Wegen des Finanzzuweisungsrechts und der Möglichkeit des Finanzausgleichs innerhalb der Landeskirche und wegen der Annahme, daß die Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachkommen kann, ist die Überschuldung der einzelnen Kirchengemeinde für sich allein kein ausreichender Grund, um sich auf Sozialplanverhandlungen von vornherein gar nicht erst einzulassen.
4) Die Mitarbeitervertretung einer stillgelegten Einrichtung verfügt über ein Restmandat zu Verhandlungen über einen Sozialplan.

KGH.EKD I-0124/9-2023
Leitsatz:
1. Die Anordnung zur Vorlage des Führungszeugnisses ist eine Maßnahme, die nicht nur geeignet, sondern sogar unmittelbar dazu bestimmt ist, das Verhalten der Beschäftigten zu überwachen. Die GMAV hat dabei nach § 40 Buchst. j) MVG.EKD mitzubestimmen. …


KGH.EKD I-0124/S3-10
Leitsatz:
Nach dem System des MVG.K wie auch des MVG.EKD setzt das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung und Anwendung von Maßnahmen oder technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überwachen (§ 40 Nr. 10 MVG.K, § 40 Buchst. j) MVG.EKD) grundsätzlich einen kollektiven Bezug voraus. Das Mitbestimmungsrecht wird nur ausgelöst, wenn die Maßnahme der Dienststellenleitung nicht nur einen einzelnen Mitarbeiter betrifft, sondern die Mitarbeiterschaft als Kollektiv.


Bundesverwaltungsgericht 5 P 16.21
Leitsatz:
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.

Schlichtungsstelle Westfalen 2 M 113/12
Leitsatz:
Die durch kurzfristige Krankheitsausfälle bedingte Unterbesetzung eines Schichtdienstes begründet kein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 i MVG.EKD


Schlichtungsstelle Westfalen 2 M 39/12
Leitsatz:
Muss eine Pflegekraft in der Psychiatrie häufig die Betreuungsaufgaben ihrer Kollegin zusätzlich übernehmen, weil diese wegen der Anordnung ständiger Überwachung fixierter Patienten für ihre sonstigen Aufgaben unabkömmlich ist, kann der Mitbestimmungsfall des § 40 Buchst. i MVG.EKD gegeben sein.


Schlichtungsstelle Westfalen 2 M 113/12
Leitsatz:
Die durch kurzfristige Krankheitsausfälle bedingte Unterbesetzung eines Schichtdienstes begründet kein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. i MVG.EKD


VerwG.EKD II-0124/F44-01
Leitsatz:
Soll eine Verstärkung des Personaleinsatzes im Tagdienst durch Umsetzung einer Nachtwache aus dem bisher mit zwei Nachtwachen besetzten Nachtdienst in den Tagdienst herbeigeführt werden, so unterliegt diese Organisationsänderung gem. § 40 Buchst. i MVG.EKD als Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung der Mitbestimmung; die verbleibenden Nachtdienstmitarbeiter und -mitarbeiterinnen haben im Vergleich zu früher eine höhere Arbeitslast zu bewältigen.


KGH.EKD I-0124/S39-10
Leitsätze:
1) Unter den Mitbestimmungstatbestand „Hebung der Arbeitsleistung“ (§ 40 Buchst. i) MVG.EKD) fallen Maßnahmen, die darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, d.h., die Güte oder Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern.
2) Der Schutzzweck des § 40 Buchst. i) MVG.EKD, wie auch der der vergleichbaren Bestimmungen im staatlichen Personalvertretungsrecht, liegt darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor unnötigen und/oder unzumutbaren Belastungen durch einseitige unkontrollierte Direktiven der Arbeitgeber- oder Dienstgeberseite durch Beteiligung der Mitarbeitervertretung bzw. der Personalvertretung zu schützen. Als unnötig oder unzumutbar kann eine Belastung nur dann angesehen werden, wenn die Erhöhung des Arbeitsdrucks infolge der Maßnahme für die Mitarbeitenden objektiv deutlich spürbar ist. Dabei muss eine Gesamtabwägung vorgenommen werden, in der auch die Entlastungen der Mitarbeitenden aufgrund der Änderung der Arbeitsweise zu berücksichtigen sind. Erst wenn der „Saldo“ eine hinreichend deutliche Mehrbelastung ergibt, ist von einer „Hebung der Arbeitsleistung“ i.S. des § 40 Buchst. i) MVG.EKD auszugehen.

BAG 1 ABR 46/10
Leitsatz:
Der Betriebsrat kann verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Arbeitnehmer benennt, welche nach § 84 Abs. 2 SGB IX (juris SGB 9) die Voraussetzungen für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllen.

KGH.EKD I-0124/9-2023
Leitsatz:

2. Bei der Bestimmung, bei wem die Beschäftigten die erweiterten Führungszeugnisse vorzulegen haben, handelt es sich um eine Regelung zur Gestaltung der Ordnung in der Dienststelle, bei der ein Mitbestimmungsrecht nach § 40 Buchst. k) MVG.EKD besteht. Das Gesetz verlangt nur, dass das erweiterte Führungszeugnis vorzulegen ist, nicht aber, auf welchem Wege und bei wem dieses zu geschehen hat Die gesetzliche Regelung erfordert damit organisatorische Maßnahmen der
Dienststellenleitung, die nicht vom Gesetz vorgegeben sind. Damit gibt es einen Gestaltungsspielraum, der eine Mitgestaltung durch die Mitarbeitervertretung ermöglicht.


VerwG.EKD 0124/C26-98
Leitsatz:
Die Aufstellung einer Parkplatzordnung für einen einrichtungseigenen Parkplatz ist eine der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegende Regelung der Ordnung in die Dienststelle im Sinne des § 40 Buchst. k) MVG.EKD.


VerwG.EKD 0124/C15-98
Leitsatz:
Bei einer vom Dienstgeber eingeführten Parkraumbewirtschaftung erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (§ 40 Buchst. k) MVG) nicht nur auf die Parkraumbewirtschaftung selbst, sondern auch auf eine besondere „Sanktionsordnung“.


VerwG.EKD II-0124/H26-03
Leitsatz:
Die Einführung einer Dienstkleidung unterfällt dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. k MVG.EKD, wenn das Tragen der Dienstkleidung zwar nicht zur Pflicht gemacht wird, aber die Benutzung der Dienstkleidung an Verpflichtungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geknüpft wird.


BAG 1 ABR 40/07
Leitsatz:
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber in einem Verhaltenskodex das Verhalten der Arbeitnehmer und die betriebliche Ordnung regeln will. Das Mitbestimmungsrecht an einzelnen Regelungen begründet nicht notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk.


BAG 1 ABR 63/10
Leitsatz:
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Festlegung der Nutzungsbedingungen von Parkflächen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern für das Abstellen ihrer Privat-Pkw zur Verfügung stellt, mitzubestimmen.


BAG 1 ABR 3/99
Leitsätze:
1) Die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG zulässige Anweisung des Arbeitgebers, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unabhängig von deren Dauer generell durch eine vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorzulegende Bescheinigung nachzuweisen, betrifft eine Frage der betrieblichen Ordnung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
2) Das danach bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht durch das Entgeltfortzahlungsgesetz ausgeschlossen. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eröffnet dem Arbeitgeber einen Regelungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob und wann die Arbeitsunfähigkeit vor dem vierten Tag nachzuweisen ist. Bei dieser Regelung hat der Betriebsrat mitzubestimmen.


BAG 1 ABR 22/94
Leitsatz:
Die Führung formalisierter Krankengespräche zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes mit einer nach abstrakten Kriterien ermittelten Mehrzahl von Arbeitnehmern ist gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Es geht dabei um das Verhalten der Arbeitnehmer in bezug auf die betriebliche Ordnung und nicht um das Verhalten bei der Arbeitsleistung selbst.


BAG 1 ABR 75/83
Leitsatz:
Die Frage, ob im Betrieb während der Arbeitszeit Radio gehört werden darf, betrifft die Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Der Betriebsrat hat daher nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber das Radiohören verbieten will. Ein ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgesprochenes Verbot ist unwirksam.


BAG 1 AZR 260/92
Leitsätze:
1) Bei der Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen.
2) In einer Betriebsvereinbarung, durch die „zur Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes und Images“ des Arbeitgebers eine einheitliche Arbeitskleidung eingeführt wird, können die Betriebspartner nicht regeln, dass die Arbeitnehmer einen Teil der Kosten (hier knapp 50%) für die Gestellung der Arbeitskleidung zu tragen haben.


BAG 1 AZR 1083/12
Aus der Urteilsbegründung:
… Die Ausgestaltung von Dienstkleidungsvorschriften berührt das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn die Dienstkleidung dazu dient, das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens zu fördern …


BAG 1 ABR 18/06
Aus der Urteilsbegründung:
Die Frage der Kostentragung und Kostenverteilung betrifft nach der Rechtsprechung des Senats weder die Ordnung im Betrieb noch das (Ordnungs-) Verhalten der Arbeitnehmer. Durch sie wird das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar geregelt. …


Kommentar:

Die Mitarbeitervertretung hat ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Dienststellenleitung Regelungen der Ordnung im Betrieb festschreiben will. Dabei sollen die Mitarbeitenden durch das Mitbestimmungsrecht beteiligt werden.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) ist damit ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen des Zusammenlebens und Zusammenwirkens in der Dienststelle gemeint. Die Mitarbeitenden sollen durch das Mitbestimmungsrecht an der Gestaltung gleichberechtigt teilnehmen. Wird allerdings das Arbeitsverhalten geregelt, verneint das BAG die Mitbestimmung (BAG – 1 ABR 50/11). In dem Verfahren ging es um die Nutzung eines Laufzettels, auf dem die Ausgabe von Arbeitsmitteln dokumentiert wurde.

Beispiele für ein Mitbestimmungsrecht sind:

  • Ein- und Durchführung von Ethik-Richtlinien
  • Anordnung der Dienststellenleitung ein ärztliches Attest generell vor Ablauf des dritten Kalendertages vorzulegen
  • Ein- und Durchführung von formalisierten Krankengesprächen
  • Einführung von Namensschildern
  • Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung
  • Parkplatzordnungen
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