1) Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt, darf sie erst vollzogen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist oder die Einigungsstelle gemäß § 36a entschieden hat. Eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme ist unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist. Abweichend von Satz 2 ist ein Arbeitsvertrag wirksam; die Mitarbeitervertretung kann jedoch verlangen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin so lange nicht beschäftigt wird, bis eine Einigung zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung erzielt ist oder die fehlende Einigung kirchengerichtlich ersetzt wurde.
2) Die Dienststellenleitung unterrichtet die Mitarbeitervertretung von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt deren Zustimmung. Auf Verlangen der Mitarbeitervertretung ist die beabsichtigte Maßnahme mit ihr zu erörtern.
3) Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich die Zustimmung verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Die Dienststellenleitung kann die Frist in dringenden Fällen bis auf drei Arbeitstage abkürzen. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Mitteilung an den Vorsitzenden oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Die Dienststellenleitung kann im Einzelfall die Frist auf Antrag der Mitarbeitervertretung verlängern. Die Mitarbeitervertretung hat eine Verweigerung der Zustimmung gegenüber der Dienststellenleitung schriftlich zu begründen. Im Fall der Erörterung gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Abschluss der Erörterung schriftlich verweigert. Die Erörterung ist abgeschlossen, wenn dies durch die Mitarbeitervertretung oder die Dienststellenleitung schriftlich mitgeteilt wird.
4) Kommt in den Fällen der Mitbestimmung keine Einigung zu Stande, kann die Dienststellenleitung innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der schriftlichen Weigerung das Kirchengericht anrufen. Die Anrufung des Kirchengerichts ist für Regelungsstreitigkeiten bei Angelegenheiten nach § 40 ausgeschlossen, wenn eine Einigungsstelle gemäß § 36a besteht oder begehrt wird. In diesen Fällen entscheidet die Einigungsstelle auf Antrag eines der Beteiligten. In Regelungsstreitigkeiten nach § 36a Abs. 1 können Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung innerhalb von zwei Wochen nach festgestellter Nichteinigung die Einigungsstelle anrufen.
5) Die Dienststellenleitung kann bei Maßnahmen, die keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Vorläufige Regelungen dürfen die Durchführung einer anderen endgültigen Entscheidung nicht hindern. Die Dienststellenleitung hat der Mitarbeitervertretung eine beabsichtigte vorläufige Maßnahme mitzuteilen, zu begründen und unverzüglich das Verfahren der Abs. 1 und 2 einzuleiten oder fortzusetzen.
- Anforderungen
- Zustimmungs-verweigerung
- Fristen
- Erörterung
- Zustimmungs-fiktion
VerwG.EKD II-0124/H7-03
Leitsatz:
Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der angegriffene Beschluss unrichtig sei. Die Beschwerde muss konkret auf den Streitfall eingehen und sich mit den tragenden Gründen der Entscheidung der Schieds- oder Schlichtungsstelle auseinandersetzen. Entspricht die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
KGH.EKD II-0124/T36-11
Leitsatz:
Zwar sind an die schriftliche Begründung der Zustimmungsverweigerung nach § 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Jedoch muss die Begründung erkennen lassen, aufgrund welcher Tatsachen die Mitarbeitervertretung einen der in § 41 Abs. 1 MVG.EKD abschließend aufgezählten Gründe für die Zustimmungsverweigerung als im Einzelfall zutreffend ansieht. Anderenfalls verfehlt die Stellungnahme den Zweck, der darin besteht, die Dienststellenleitung dazu zu bewegen, sich mit den von der Mitarbeitervertretung vorgebrachten Argumenten auseinander zu setzen. Eine nur schlagwortartige oder formalhafte Begründung genügt nicht, weil sie die Dienststellenleitung nicht zu einer erneuten argumentativen Befassung anzuregen, geeignet ist. Die Dienststellenleitung soll die mitbestimmte Angelegenheit vielmehr an Hand der Begründung der Mitarbeitervertretung erneut durchdenken und ggf. ihre bisherige Auffassung revidieren.
BAG 1 ABR 93/07
Leitsätze:
1) Für die Erfüllung des Schriftlichkeitsgebots des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG genügt eine Mitteilung per E-Mail, wenn diese den Erfordernissen der Textform nach § 126b BGB entspricht.
2) …
Kommentar
Das Mitbestimmungsrecht ist kein Gestaltungsrecht. Die Mitarbeitervertretung muss sich eindeutig äußern. Sie kann beispielsweise einer Eingruppierung nicht unter einem Vorbehalt zustimmen. Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau (AZ: 10 BV 11/15) über eine Zustimmungsersetzung eines Betriebsrats zu entscheiden, der einer Eingruppierung mit dem Vorbehalt zu, dass die monatliche Arbeitszeit bei den geringverdienenden Beschäftigten 42,8 Stunden beträgt. Das Arbeitsgericht hatte gegen den Betriebsrat entschieden und verlangt, dass der Betriebsrat einer unstreitig richtigen Eingruppierung unzweideutig und uneingeschränkt zustimmen müsse. Im Gegensatz zum Betriebsrat hat die Mitarbeitervertretung (MVG-EKD) aber bei allen Angelegenheiten, die der Mitbestimmung unterfallen ein Initiativrecht. Sie kann der Dienststellenleitung, daher einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, der dann aber unter das Verfahren gemäß § 47 MVG-EKD fällt.
KGH.EKD I-0124/M1-06
Leitsätze:
1) Die Verweigerung der Zustimmung (§ 38 Abs. 3 MVG.EKD) ist nur wirksam, wenn die Mitarbeitervertretung die insoweit gebotenen Form- und Fristvorschriften eingehalten hat.
2) Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt.
3) Die schriftliche Verweigerung der Zustimmung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD muss nicht nur die Erklärung enthalten, dass die Zustimmung zur beabsichtigten Maßnahme verweigert wird, sondern auch die Gründe für die Zustimmungsverweigerung (§ 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD).
KGH II-0124/P26-08
Leitsätze:
1) Zu § 38 Abs. 3 MVG.EKD in der bis zum 31. Dezember 2009 (vgl. Beschluss der 11. Synode der EKD vom 29. Oktober 2009 zum Fünften Kirchengesetz zur Änderung des MVG.EKD) geltenden Fassung: Wenn und weil das Erörterungsgespräch (§ 38 Abs. 3 MVG.EKD a.F.) auch die Aufgabe hat, die Dienststellenleitung über die Umstände und Tatsachen zu informieren, die die Mitarbeitervertretung zur Zustimmungsverweigerung bewegen, setzt dies auch voraus, dass die Mitarbeitervertretung der Dienststellenleitung eben diese Umstände und Tatsachen in dem Gespräch, spätestens aber bis zur formalen Beendigung der Erörterung (vgl. § 38 Abs. 4 MVG.EKD a.F.)
2) Zustimmungsverweigerungsgründe, die in der schriftlichen Zustimmungsverweigerung genannt sind, dürfen auch im späteren Verlauf der kirchengerichtlichen Auseinandersetzung vertieft werden, in der schriftlichen Zustimmungsverweigerung nicht genannte Gründe dürfen jedoch nicht nachgeschoben werden.
3) Die Begründung der Zustimmungsverweigerung zu einer Eingruppierung muss erkennen lassen, weshalb die von der Dienststellenleitung als zutreffend bezeichnete Eingruppierung unrichtig ist. Begründet die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmungsverweigerung damit, dass sie meint, eine höhere Entgeltgruppe treffe zu, muss die Zustimmungsverweigerung erkennen lassen, weshalb dies der Fall sein soll.
KGH.EKD I-0124/S62-10
Leitsätze:
1) Für die Frage der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der anzufechtenden Entscheidung (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD) kommt es auf das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses an, nicht aber auf seine Begründung.
2) Die Frist zur Anrufung des Kirchengerichts nach § 38 Abs. 4 MVG.EKD ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist; wird sie versäumt, so ist ein Antrag auf Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung ihrer Zustimmung bestanden hat, ohne weitere Prüfung als unbegründet zurückzuweisen.
3) Der mit dem Zugang der frist- und formgerechten Zustimmungsverweigerung ausgelöste Beginn der Anrufungsfrist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD kann weder durch eine erneute Anhörung der Mitarbeitervertretung zum selben Mitbestimmungstatbestand, noch durch eine Bitte einer Dienststellenleitung an die Mitarbeitervertretung, ihre Zustimmungsverweigerung doch noch einmal zu überdenken oder gar zurückzunehmen, gehemmt werden.
BAG 1 ABR 55/03
Leitsätze:
1) …
2) Durch eine offensichtlich unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats wird die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG auch dann nicht in Gang gesetzt, wenn der Betriebsrat zum Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers in der Sache Stellung nimmt.
Kommentar
Das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) kennt im Mitbestimmungsverfahren zwei verschiedene Fristen:
- Zweiwochenfrist (Standardfrist) zur Wahrnehmung des Mitbestimmungs- und Mitberatungsrechts
- Verkürzte Frist (minimal drei Arbeitstage) bei der außerordentlichen Kündigung und in Eilfällen (Achtung: Hier darauf achten, dass die Dienststellenleitung ihren Ermessensspielraum nicht überschreitet)
Die Berechnung der Fristen ist im MVG nicht geregelt. Daher finden die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anwendung.
Beantragt die Dienststellenleitung die Zustimmung der MAV (zum Antrag gehört auch die rechtzeitige und umfassende Information der MAV) zählt der Tag des Eingangs nicht mit.
Beispiel 1: Geht der Antrag auf Zustimmung bei der MAV am Donnerstag ein, zählt dieser Tag nicht mit. Die Frist endet daher am Donnerstag der übernächsten Woche. An diesem Tag endet die Äußerungsfrist der MAV.
Beispiel 2: Grundlage Beispiel 1. Der Donnerstag fällt auf einen gesetzlichen Feiertag. Der letzte Tag der Frist ist in diesem Fall der darauf folgende Werktag, also der Freitag.
Im Internet gibt es BGB-Fristenrechner, z.B. diesen von der Kaufmännischen Krankenkasse. Für Android gibt es ebenfalls eine APP, den Juristenrechner.
KGH.EKD 0124/U26-12
Leitsätze:
1) Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung, nach beantragter Erörterung die Maßnahme ernsthaft mit dem Willen zur Einigung zu erörtern.
2) Bestimmte Mindestanforderungen oder eine bestimmte „Mindestqualität“ der Erörterung bestimmt § 38 Abs. 3 MVG.EKD hingegen nicht; nach § 38 Abs. 3 Satz 7 MVG.EKD ist eine Erörterung regelmäßig unabhängig vom Ablauf der Verhandlungen abgeschlossen, wenn eine Seite dies schriftlich mitteilt.
KGH.EKD II-0124/V30-13
Leitsätze:
1) Eine nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD beantragte mündliche Erörterung kann ohne Zustimmung der Gegenseite nicht durch schriftlichen Meinungsaustausch ersetzt werden, es kann nur einvernehmlich auf eine mündliche Erörterung verzichtet werden. Unterbleibt sie, ist die der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme regelmäßig unwirksam (§ 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD).
2) § 38 Abs. 3 MVG-EKD definiert darüber hinaus keine Mindestanforderungen an die „Qualität“ einer Erörterung (vgl. KGH.EKD II-0124/U26-12 – s.o.).
BAG 2 AZR 124/14
Leitsätze:
1) Eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme gilt nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG-EKiR als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt. Eine Erklärung der Mitarbeitervertretung, die zwar abschließend ist, aber keine Zustimmung darstellt, bewirkt keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion.
2) Ein Mangel in der Kündigungserklärung kann auch dann zum Erfolg einer Änderungsschutzklage führen, wenn die Änderungskündigung „überflüssig“ war und der Arbeitnehmer das „Änderungsangebot“ unter Vorbehalt angenommen hat.