2) Begriffsbestimmungen

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1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Urteile
Staatliche Gerichte
DefinitionFeststellungTab 3 title
  • OLG Karlsruhe 9 U 156/09
    Leitsätze:

    1. Behinderung
      1. Für die Frage, ob eine Behinderung im Sinne des AGG vorliegt, ist der sozial-rechtliche Begriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX heranzuziehen. Entscheidend ist, ob sich ein Mensch in einem so definierten Zustand befindet.
      2. Hiervon ist die Ursache dieses Zustands (die zugrundeliegende Krankheit) zu unterscheiden. Krankheit und Behinderung sind nicht gleichzusetzen.
    2. Benachteiligung
      1. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG liegt nur dann vor, wenn das Verhalten daran anknüpft, dass sich der Betroffene in einem § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX entsprechenden Zustand befindet. Hierfür genügt es regelmäßig nicht, wenn an eine Krankheit angeknüpft wird.
      2. Berücksichtigt ein Versicherungsunternehmen bei seiner Entscheidung über eine privatrechtliche Versicherung eine Krankheit, die die Ursache für eine Behinderung ist, kann darin eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG liegen.
    3. Rechtfertigung
      1. Für eine Ungleichbehandlung bei einer privatrechtliche Versicherung stellt § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG die allgemeine Rechtfertigungsnorm dar, die geringere Anforderungen an eine Rechtfertigung stellt als § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG.
      2. § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG greift auch ein, wenn ein Versicherungsunternehmen einen Vertragsabschluss ganz ablehnt.
      3. Fehlt es aus nachvollziehbaren Gründen an ausreichenden statistischen Grundlagen, genügt es zur Rechtfertigung nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG, wenn die Entscheidung des Versicherers auf anderen, vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen beruht, die mit dem zu versichernden Risiko korrelieren.
  • Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 13 SB 235/07
    Leitsatz: Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen. Dieser zum Merkzeichen „G“ ergangenen Rechtsprechung ist auch für das besondere gesundheitliche Merkmal der außergewöhnlichen Gehbehinderung („aG“) zu folgen. So müssen z.B. das Zusammenwirken der orthopädischen Behinderungen und einer schweren Adipositas bei der Feststellung der Behinderung und dem dadurch veranlassten Nachteilsausgleich berücksichtigt werden.Aus der Urteilsbegründung: … Eine unterschiedliche Behandlung allein nach der Ursache einer Teilhabebeeinträchtigung wird durch die Konvention ausgeschlossen (Diskriminierungsverbot Art 5 Abs. 1, 2). Damit wird indes der bisherige Ansatz der Rechtsprechung und des Verordnungsgebers rechtlich untermauert, dass die Folgen einer Adipositas permagna behinderungsrechtlich von Bedeutung sind (vgl. auch B 15.3 Anl-VersMedV). Auch die UN-Konvention-RMBeh erwartet das Leistungen zur gesundheitlichen Förderung (Art 25) und Rehabilitation (Art 26) frühest möglich einsetzen. Dies soll allerdings vorhandene Nachteilsausgleiche bei bestehenden Behinderungen nicht ausschließen. …
  • Bundessozialgericht 9a RVs 5/86
    Leitsatz: Eine Behinderung iS des Schwerbehindertengesetzes liegt selbst dann vor, wenn die zu Einschränkungen der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt und/oder der Bewegungsfreiheit in der Gesellschaft führende körperliche, geistige oder seelische Regelwidrigkeit an sich nur geringfügig ist.
  • Landessozialgericht Berlin-Brandenburg B 9 SB 1/01 R
    Aus der Urteilsbegründung: Das bedeutet: unter „von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen“ ist der Verlust oder die Beeinträchtigung von normalerweise vorhandenen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelischer Gesundheit zu verstehen. Wirkt sich diese Beeinträchtigung in einem oder mehreren Lebensbereichen aus, dann liegt die Behinderung – ähnlich wie nach der in § 3 Abs 1 Satz 1 des bisherigen SchwbG enthaltenen Definition – in der Auswirkung der Beeinträchtigung.
  • Bundessozialgericht 9/9a RVs 1/91
    Leitsatz:
    1. Die Kommunikation gehört zu den gewöhnlichen und regelmäßigen Verrichtungen des täglichen Lebens. Solange es keinen speziellen Nachteilsausgleich für Hörsprachgeschädigte gibt, ist ihnen Merkzeichen H jedenfalls bis zum Abschluss einer ersten Ausbildung zu belassen.
    2. Grad der Behinderung und Nachteilsausgleiche sind bei den vor vollständigem Spracherwerb Erlaubten nach den Auswirkungen der hierdurch verursachten Kommunikationsstörung festzulegen.
    3. Trotz fehlender Ermächtigungsgrundlage unterliegen die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit als geschlossenes Beurteilungsgefüge nur eingeschränkter richterlicher Kontrolle.
    Aus der Urteilsbegründung: Ohne solche verbindlichen Maßstäbe ließe sich keine gesetzmäßige, dh auch gleichmäßige Behandlung der Betroffenen erreichen. Denn nach der Natur des zu regelnden Sachverhalts darf es für den entscheidenden Verwaltungsbeamten keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum bei der generellen Wertung geben. Bei den AHP handelt es sich um ein geschlossenes Beurteilungsgefüge zum GdB und zur MdE, auf das auch die Gerichte angewiesen sind. Eine wirkliche richterliche Kontrolle in der Sache kann es nicht geben, weil es für die „Richtigkeit“ der AHP außerhalb ihres eigenen Systems keinen ausreichenden Maßstab gibt.
Tab 3 content
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